Bad Bramstedt 11.11.07 von
Thomas Sävert
Zeitpunkt: gegen 14:30 Uhr MEZ. Ein schwacher Tornado richtete Schäden im Norden der Stadt an: "Gegen 14.30 Uhr war eine von einem Hagelschauer begleitete Windhose vom Norden der August-Kühl-Straße aus auf die Stadt zugerast. Der Wirbelsturm beschädigte Dächer vor allem in Graf-Stolberg-Straße, Düsternhoop, Achtern Dieck und im Neubaugebiet Bimöhler Straße. Erst im Rügerpark im Osterautal löste sich der kleine Tornado auf." (Quelle: Segeberger Zeitung). Die Schäden werden auf rund 100.000 Euro geschätzt. Nach Auswertung der Schäden und der Augenzeugenberichte gilt ein Tornado als bestätigt. Es folgt die ausführliche Analyse zum Tornado von Enrico Öltze.

Analyse zum Tornadoverdacht Bad Bramstedt
11.11.2007 ca. 14:30 Uhr

Autor & Copyright: Enrico Öltze

Mein Name ist Enrico Öltze und ich bin geprüftes Mitglied bei Skywarn Deutschland. Laut Medienangaben kam es am 11.11.2007 in Bad Bramstedt (Schleswig-Holstein) zu einem Unwetter mit Tornadofolge. Da die Stadt lediglich 40 km von mir entfernt liegt, nahm ich es zum Anlass, dort heute (12.11.07) am frühen Vormittag vorbei zu fahren. Meine Recherchen beanspruchten 3 ½ Stunden.

Gegen 9:30 Uhr traf in Bad Bramstedt ein und versuchte telefonisch die Stadtverwaltung zu erreichen, um Angaben über die Schadensgebiete zu erhalten. Da man mir dort nicht weiter helfen konnte, da das Amt selber noch keine Infos hatte, gab man mir die Handynummer vom Wehrführer der FFW Bad Bramstedt. Herr Oje war so freundlich und hat mir ganz genaue Angaben zu den Schadenspunkten und aufgetretenen Schäden mitgeteilt. Dafür nochmals vielen Dank an die FFW. Da ich nun genau wusste, wo ich hin musste, fing ich auch schon an mit meinen Recherchen.

Als erstes sehen wir eine Übersichtskarte des betroffenen Gebietes.
Bad Bramstedt 2
(Quelle: Google, zum Vergrößern bitte anklicken)
Auf der Karte sehen wir den Verlauf des vermeintlichen Tornados. Die Nummern geben die Schadensgebiete an. Die Kreise symbolisieren das Schadensgebiet. Die Schneise hat eine geschätzte Länge von 1100-1200 Metern.

Schauen wir uns die Schadstellen 1 und 2 genauer an:
Bad Bramstedt 3
(Quelle: Google, zum Vergrößern bitte anklicken)
In der Schadstelle 1, welche sich im Gebiet August-Kühl-Straße und Graf-Stollberg-Straße befindet, scheint es zum ersten Bodenkontakt gekommen zu sein. Hier wurden 3 Bäume in Fallrichtung Südost geworfen. 2 weitere Bäume zeigten Astbruch (Äste vom erheblichen Durchmesser) in den Baumkronen. Ein Auto wurde dabei leider zerstört. Zu dem Zeitpunkt, als ich vor Ort war, waren die Aufräumarbeiten im vollen Gange. Die gelben Pfeile zeigen die Wurfrichtung der Bäume an und die gelben Punkte die zerstörten Gartenhäuser. Hierzu folgende Zeugenaussagen zu Schadstelle 1.

Zeuge 1: (älterer Herr)
„Ich konnte sehen wie Dachziegel und Laub in einer rotierenden Bewegung nach oben in eine große schwarze Wolke gezogen wurden. Wir hatten bereits schon vorher den Schlauch kommen sehen und haben uns erst dabei nichts gedacht“

Zeuge 2: (Frau mittleren Alters, wohnt 10 Meter von den gestürzten Bäumen gegenüber)
„Ich und mein Lebensgefährte konnten aus den Wohnzimmerfenster beobachten wie eine komische stark rotierende riesige, kugelartige Erscheinung am Fenster vorbei zog und sahen dann innerhalb von Sekunden die Bäume fallen. Es ging alles sehr schnell innerhalb weniger Sekunden. Danach war der Himmel plötzlich wieder klar.“

Nun sehen wir die Bilder zu dieser Schadstelle:
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Astbruch in der Krone
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Ebenfalls Astbruch in der Krone
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Wurzel eines gestürzten Baumes
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Auf den Bildern sieht man halt die gebrochen Baumkronen, sowie das unglücklich geparkte Auto.

Gehen wir weiter zur Schadstelle 2. (Berliner Platz)
Hier war auffällig, dass es den Tag zuvor leicht abgedeckte Dächer gab, welche aber wieder in Stand gesetzt wurden. Jedoch gab es erhebliche Zerstörungen von so genannten Gartenhäusern aus Holz und Metall, welche man im jeden Baumarkt findet. Die Häuser waren zum Teil zerstört oder abgedeckt. Besonders interessant die Aussage, dass ein Holzhaus komplett angehoben worden war und 10-20 Meter weiter dann auf den Boden zerschellte. Hier die Zeugenaussagen: (alle Aussagen unabhängig voneinander)

Zeuge 1: (Herr mittleren Alters, dieser führte mich durch seinen Garten)
„Es war unglaublich, plötzlich zog eine schwarze Wand auf und dann ging es ganz schnell. Dachziegel schleuderten quer durch die Luft und blieben zum Teil 3 Häuser weiter im Mauerwerk stecken. Meinen Holzschuppen hat es komplett zerlegt (siehe Fotos). Ich konnte sehen, wie ein Holzschuppen komplett angehoben wurde, so einige Meter, und dann 10-20 Meter weiter auf dem Boden zerschellte. Man konnte regelrecht sehen, wie das alles sich im Kreisel bewegte.“

Zeuge 2: (Herr mittleren Alters)
Er berichtete ebenso von den selben Geschehnissen.

Keiner von beiden konnte eindeutig in den engen Häuserwegen einen Schlauch erkennen.

Hier die Bilder vom Schadensgebiet 2:
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Die Überreste eines Schuppens
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Hier fehlen das Dach und Teile der Seitenwand.
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hier das fehlende Dach
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Reste eines Schuppens. Man beachte den roten daneben, der nicht einen Kratzer aufwies.
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Der Schuppen stand mal hinter dem Zaun. Das sind die Reste nach Aufräumarbeiten.

Was ganz besonders in dieser sehr dicht bebauten Wohnsiedlung auffiel, war, dass es wirklich wie ganz präzise Schnitte aussah. Der eine Schuppen war total zerstört, während einer, der 1 Meter daneben steht, so gut wie kein Kratzer hat.

Kommen wir nun zum Schadensgebiet Nummer 3, welches auch das am stärksten betroffene war.
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(Quelle: Google, zum Vergrößern bitte anklicken)
Erläuterung zur Karte:
Der Bereich, welcher Rot umrandet ist, ist das komplette 3. Schadensgebiet. Diese Karte ist von Google Earth leider nicht aktuell. Auf diesem Gelände befindet noch ein sehr junges Wohngebiet für Einfamilienhäuser, welche zum Teil sich auch noch im Bau befinden. Baustellen die bereits ein Dach hatten, hatten zum Teil keine Dachziegel mehr. Die violette Linie deutet die des vermeintlichen Tornados an. Der türkise Kreis deutet das Gebiet an, welches die stärksten Schäden abbekommen hat. Die gelbe Linie zeigt die Wurfrichtung eines Dixi-Klos an. Blau ist die Aufsaugstelle und orange die Abwurfstelle. Mehr dazu in der Zeugenaussage.

Zeugenaussage 1: (weiblich, ihr gehört das am stärksten betroffene Haus)
„Ich war gerade mit meinen Nachbarn draußen vor der Tür bei bestem Sonnenschein und habe mit den Kindern gespielt. Plötzlich tauchte eine sehr schwarze Wand vor uns auf. Mit einmal sahen wir, wie sich ein Trichter auf uns zu bewegt. Ma konnte ganz deutlich erkennen, wie dieser die Dachziegel der umliegenden Häuser aufsaugte und diese sich wie eine Steinwand rings um den Trichter bis zu 100 Meter Höhe wirbelten. Plötzlich sahen wir, wie ein Dixi-Klo (war ca. 200-300 Meter entfernt) von den Trichter erfasst wurde und ca. 50-100 Meter nach oben gesogen wurde. Dieses rotierte ganz kurze Zeit um den Trichter. Wir haben nur schnell die Kinder gepackt und haben uns ins Haus gerettet. In diesem Moment krachte das Dixi-Klo in unser Haus und blieb neben dem Haus liegen. Ein Freund saß zu diesem Zeitpunkt in seinem Auto vor unserer Tür fest.“
Auf die Fragem wie groß der Trichter warm antwortet sie: „ca. so breit wie von hier zum nächsten Haus. (sind ca. 50-60 Meter) Nach oben hin soll der Trichter immer mehr an Breite gewonnen haben.

2 weitere Zeugen, die dann zum Gespräch dazu stießen, erzählten genau dasselbe. Ebenso sagte die Zeugin aus, dass direkt hinter ihrem Haus der Trichter noch einen großen Baum zu Fall brachte und sich dann auflöste. Dieses kann ich bestätigen, da ich in dem direkt angrenzenden Waldgebiet keine Spuren mehr gefunden habe. Im übrigen soll sich der Putz IM Haus von der Zeugin durch Vibrationen gelöst haben. Ebenso soll es sich wie ein Güterzug angehört haben.

Hier die Bilder aus dem Schadensgebiet 3: (Bringmann-Ring , Achtern Dieck)
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Bei dem Bild bin ich mir nicht sicher, ob es nicht schon vorher das Dach fehlte.
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Das ist das besagte Dixi-Klo, das per Lufttransport ca. 200 Meter befördert wurde.

Das war meine kleine Analyse zu dem Geschehen.
Ich hoffe, ich konnte mit dem Bericht dazu beitragen und belegen, dass es sich um einen Tornado handelte. Indizien dafür sind die unabhängig voneinander gemachten Zeugenaussagen, die sich sehr ähneln. Ebenso die äußerst präzise Schadfläche. Ein Haus hat die Hälfte seiner Dachpfannen verloren. Das Haus daneben hat keinen Kratzer. Ebenso bei den Schuppen, einer total zerstört, 1-2 Meter daneben hat der Schuppen keinen wirklichen Kratzer. Ebenso ist das Schadensfeld sehr eng und lokal begrenzt und weist keine weiten Schadensflächen auf.

Rechtliches:
Die Bilder und dieser Beitrag dürfen gerne verwendet werden, solange mein Name im Copyright deutlich hervorgeht und an den Bildern nichts verändert wird.

Mit freundlichen Grüßen
Enrico Öltze

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