Kleinbottwar 18.08.1914 von
Thomas Sävert
Umgebungskarte
(Auszug aus Top200, Bundesamt für Kartographie und Geodäsie)
Aus "Der Naturforscher", herausgegeben von Prof. Dr. Walther Schoenichen, Jahrgang 1926/27, Heft 6, Seiten 323-324: "Zwei Windhosen bei Kleinbottwar in Württemberg

Kürzlich kam mir eine Farbenskizze, auf der ich vor Jahren zwei Windhosen während ihres Bestehens festgehalten hatte, wieder in die Hände. Da das eigenartige und seltene Ereignis in den ersten Kriegswochen sich abspielte, war es nicht weiter beachtet worden, und auch ich selbst hatte damals leider keine Gelgenheit, all den wissenschaftlichen Fragen, die sich an eine solche Erscheinung knüpfen, mit wünschenswerter Sorgfalt nachzugehen. Doch ist das Festgestellte interessant genug, einem größeren Leserkreis vorgelegt zu werden. Die Abbildung gibt die während des Schauspiels in 9 Kilometer Entfernung gefertigte Skizze wieder.

Die Erscheinung begann am 18. August 1914 4.45 Uhr nachmittags bei windstillem Wetter und teilweise Bewölkung durch Cumulo-Nimbus. Von meinem Elternhaus in Heutingsheim bei Ludwigsburg aus sah ich in nordöstlicher Richtung die Säule vom Rand einer dunklen Wolke herauswachsen. Von einem breiten halbkugelförmigen Ansatz verlängerte sich die Säule langsam weiter nach unten, wo sie aschließlich etwa 200 Meter über dem Erdboden mit einer Spitze aufhörte. Doch ließ sich ein dünner Faden noch weiter unten noch erkennen. In ihrer vollen Ausbildung glich die Säule einem genau senkrecht hängenden und mit der Spitze nach unten zeigenden Bleistift weißer Farbe. Durch eine Beobachtung von Nord (Großbottwar) aus ist erwiesen, daß die senkrechte Stellung nicht auf einer Täuschung beruhte.

Die Entfernung der Wolkensäule schätzte ich anfangs auf etwa 4 bis 5 Kilometer. Zwei Tage später aber konnte ich die Spur des Wirbels im Bottwartal beim Dorf Kleinbottwar erfragen und besuchen. Dadurch ergab sich eine Entfernung vom Standpunkt meiner Beobachtung und meiner Skizze von 9 Kilometer und weiter eine Höhe der Säule von 1400 Meter und ein Durchmesser von etwa 70 Meter. Die Dampfsäule entsteht durch Kondensation infolge der starken Druckverminderung im Innern des Luftwirbels. Am Boden waren durch den Wirbel, der sich während seiner halbstündigen Dauer nur ganz wenig fortbewegte, Garben von den abgeernteten Feldern weit fortgetragen und ein Schuppen abgedeckt worden.

Einige Zeit nach dem Herauswachsen der großen Säule entstand schätzungsweise 2 bis 3 Kilometer westlich von ihr eine zweite, kleinere mit einem gleichen, etwa halbkugeligen Ansatz an der Wolke. Diese Trombe aber war, wie die Skizze zeigt, abgelenkt und drehte sich offenbar mit der Spitze in umgekehrtem Uhrzeigersinn um die große Säule, als wäre sie durch den großen Wirbel noch in Mitleidenschaft gezogen. Die große Säule wurde langsam dicker und zog sich dann scheinbar in die Wolke hinauf. Um 5.15 Uhr nachmittags, also nach einer halben Stunde, war die letzte Spur verschwunden. Regen war weder vor- noch nachher gefallen. Was sich bei dieser Windhose von Kleinbottwar hinsichtlich Tageszeit, Bewölkung, Zuggeschwindigkeit, Dauer der Erscheinung und Durchmesser hat feststellen lassen, liegt ganz im Rahmen der von Alfred Wegener in seinem Buch: Wind- und Wasserhosen in Europa (1917) angegebenen Werte. Die hier beschriebenen Windhosen mögen zugleich der Weiterführung und Ergänzung der von Wegener gegebenen Liste dienen.
Dr. D. Baret, Stuttgart"


zur Tornadoliste von Thomas Sävert

zur Homepage von Thomas Sävert