Bayreuth 04.08.1928 von
Thomas Sävert
Aus dem Bayreuther Tagblatt vom 06.08.1928:

"Bedeutende Gewitterschäden in Bayreuther und Bamberger Land

Am Samstag Nacht um 9 Uhr ging über Bayreuth ein furchtbares Unwetter nieder. Der Sturm riss in der Altstadt einen Kamin der Wölfel'schen Ziegelei und einen Kamin der Aktienziegelei um. Ein Wirtschaftsgebäude des Kreislehrgutes und ein Haus in der Altstadt wurden teilweise abgedeckt. In die Landespolizeikaserne drang das Wasser ein. Verschiedene Räume mussten ausgepumpt werden. In der Eremitagerstraße wurde einer der alten Bäume glatt abgedreht. Im Studentenwald sind hunderte von Bäumen umgeknickt. Das Schieferdach eines Anwesens in Saas fiel ebenfalls dem Sturm zum Opfer. Personen scheinen nicht verletzt worden zu sein. Der entstandene Sachschaden ist noch nicht zu übersehen. Aus der Umgebung treffen erschütternde Berichte ein:

Mistelbach, 5. Aug. Von einem furchtbaren Unwetter wurde am Samstag Nachts zwischen halb zehn und halb elf Uhr unser Dorf betroffen. Mit einem Schlag setzte unter ungeheurem Brausen ein furchtbarer Wirbelwind ein, der von einem ca. 20 Minuten dauernden Hagelschauer begleitet war. Die elektrische Beleuchtung versagte und niemand konnte während des orkanartigen Sturmes die Behausung verlassen. Als gegen halb elf Uhr der Sturm etwas nachgelassen hatte, bot sich den mit Laternen auf die Straße eilenden Bewohnern unseres Dorfes ein tieftrauriges Bild. Schossen von ziemlicher Größe bedeckten noch mehrere Zentimeter hoch den Boden, Licht- und Telegraphenmasten waren umgeworfen. Eine Reihe von Dächer darunter auch das Kirchendach waren zum Teil abgedeckt, hunderte von Ziegeln lagen auf der Straße. An einem Haus war der Giebel eingedrückt, im Friedhof zahlreiche Grabsteine umgeworfen. In der Nähe des Dorfplatzes riß die furchtbare Gewalt der Windhose die ca. 300 Jahre alte Linde, ein herrliches Naturdenkmal unseres Dorfes nieder. In fast allen Gärten wurden zahlreiche Obstbäume mit den Wurzeln ausgerissen, andere in der Mitte des Stammes wie Streichhölzer geknickt. Im Garten des Herrn Reichswirtschaftrates Freyberger wurde ein gewaltiger Birnbaum von ungefähr 3 ½ Meter Umfang in der Mitte auseinander gespalten. Auch in den Gemüsegärten, auf den Fluren und in den Waldungen wurde, wie sich am Sonntagmorgen zeigte, großer Schaden angerichtet. Besonders bös hat das Unwetter die Getreidefelder mitgenommen. Auf manchen Flurstrichen hat der Hagel die Aehren buchstäblich ausgedroschen, sodaß den Landwirten ein beträchtlicher Schaden entstanden ist.

Glashütten, 5. Aug. Gestern abends um halb 10 Uhr entlud sich über unserem Orte, von Westen kommend, ein Unwetter, daß, wenn auch nur kurze Zeit dauernd, die Hoffnung unserer Landwirte auf eine gute Ernte rasch vernichtete. Das Gewitter war von einem fürchterlichen Orkan und Hagelschlag begleitet. Erst jetzt sind die schrecklichen Folgen sichtbar. Ueberall abgedeckte Dächer, entwurzelte und zersplitterte Bäume, abgeschlagenes Laub. Doch schlimmer sieht es auf den Feldern aus. Nur ein kleiner Teil der Ernte ist bisher geborgen, was noch draußen ist, dürfte zum größten verloren sein.

Weidenberg, 5.Aug. Gestern abends gegen 10 Uhr bewegten sich über die hiesige Gegend schwere Gewitter, denen ein orkanartiger Sturm mit wolkenbruchähnlichem Regen folgte. In Weidenberg selbst wurden verschiedene Scheunen teilweise abgedeckt und Bäume in größerer Anzahl umgebrochen. In einer etwas außerhalb gelegenen Obstanlage hat der Sturm ca. 30 Bäume 20-30jährigen Bestandes vernichtet, von der ganzen Anlage stehen noch 3 Bäume. Noch schlimmer hauste das Unwetter in Mengersreuth und Sophienthal; der Turm der katholischen Kirche bei Rosenhammer wurde, soweit die Holzkonstruktion reichte, abgebrochen und neben die Kirche geworfen. Das auf dem First der Kirche stehende Steinkreuz von ca. eineinhalb Meter Höhe wurde abgedrückt und in die Wiese geschleudert. Das frühere alte Schloß in Mengersreuth erlitt erheblichen Schaden durch Ausreißen eines Teiles vom Dache, wobei die abgerissenen Sparren einem angrenzenden Nachbarn verschiedene Fenster einschlugen. Die neuerbaute Scheune des Sägewerkbesitzers Fröber von Mittlernhammer, welche auf seinem Grundbesitz in Sophienthal stand, wurde buchstäblich umgeworfen. Das Gebälk dieser Scheune ist größtenteils zerbrochen und unverwendbar. Einem Landwirt in Tennhof hat es den Dachstuhl vollständig vom Hause gerissen. Aus Kirchenpingarten hört man, daß auch dort der Sturm Häuser abgedeckt und Bäume abgebrochen hat.

Pegnitz, 5. Aug. Am Samstag Nacht ging hier ein Wolkenbruch nieder. Ihm ging ein Sturm voraus, der so heftig war, daß Bäume abgebrochen und Dächer abgedeckt wurden. Die Hagelkörner bedeckten Zentimeterhoch den Boden.

Die alte historische Stadt Bamberg und Umgebung wurde in der Nacht zum Sonntag von einem Unwetter heimgesucht, das in seiner Größe und Gewalt gewöhnlich nur in Amerika oder in tropischen Ländern vorzukommen pflegt. Mit ungeheurer Wucht setzte am Samstag nachts ein heftiger Sturm ein, begleitet von Hagelschauer, Blitz und Donner. Innerhalb kurzer Zeit hatte das entfesselte Element alle Bäume, die schönen Stadtanlagen von Bamberg, die berühmten Gärtnereien, die noch auf den Feldern stehende Ernte vollständig vernichtet. Der Schaden beläuft sich auf eine Million Mark. Das Stadion mit den Verkaufsbuden bietet ein Bild grauenhafter Verwüstung. Der in der Nähe von Bamberg gelegene Bruderwald ist wie durch heftiges Artilleriefeuer vollständig niedergelegt worden. Bäume von eineinhalb Meter Durchmesser wurden geknickt wie Streichhölzer. In der Stadt selbst ist fast kein Haus ohne Schaden geblieben. Die Straßen sind von herabgeschleuderten Ziegeln, Fensterscheiben, Mauerwerk vollständig übersät, sogar mehrere Fabrikschlöte wurden geknickt und umgeworfen, Dächer wurden abgedeckt und meterweit geschleudert. Die Zollscheune wurde vom Sturme vollständig zertrümmert. In der Schuhfabrik Ranz wurden Steinmauern auf eine Länge von 15 Meter umgeworfen. Der berühmte Naturgarten der Stadt, das beliebte und geheiligte "Bamberger Hain", ist völlig verwüstet. Die stärksten Eichenstämme sind auf hunderte Meter niedergelegt und bieten ein grauenhaftes Bild der Verwüstung. Reichswehr, Landespolizei, Feuerwehr und Sanitätskolonnen hatten die ganze Nacht hindurch zu tun, um die Verwüstungen beiseite zu schaffen. Alle Zufahrtsstraßen nach Bamberg sind durch umgestürzte Bäume gesperrt.

Bamberg, 6. Aug. Hier wurden sechs Personen in das Krankenhaus eingeliefert, die durch das Unwetter Verletzungen erlitten hatten. Der Bamberger Oberbürgermeister, der sich zur Zeit in Urlaub befindet, wurde telegraphisch zurück gerufen. Der Löwensteg, eine Verbindungsbrücke aus Holz und Beton, über die Pegnitz wurde vom Sturm vollständig niedergerissen.

Willenreuth, 5. Aug. Am Samstag Abend um halb 9 Uhr hat in Willenreuth der Blitz eingeschlagen. Zwei Wohnhäuser brannten vollständig nieder. Der Brand entwickelte sich so rasch, daß die Feuerwehr wenig machen konnte.

Ansbach, 6. Aug. Schwere Unwetter suchten am Samstag Abend zwischen 6 und 7 Uhr den Landbezirk Ansbach heim. In der kurzen Zeit von 6-7 Minuten wurden in vielen Gemeinden die noch auf dem Felde befindliche Ernte vernichtet. Obstbäume wurden entwurzelt oder umgebrochen. Groß ist der angerichtete Schaden an den Gebäuden, vor allem an den Dächern und Fenstern. In Wiedersbach lagen die Schlossen bis zu 30 cm hoch. In Meucheln wurden die auf dem Felde befindlichen Erntearbeiter und viele Kinder durch faustgroße Schlossen an Kopf und Körper schwer zugerichtet. Die Leute bluteten stark. Besonders die kleinen Kinder hatten unter dem Hagelschlag zu leiden. Ein Verletzter wurde ins Ansbacher Krankenhaus gebracht. Ebenso wurden fünf Touristen nach Ansbach gebracht, welche durch die Schlossen schwere Beulen davongetragen hatten. Auch das Tierreich hatte schwer zu leiden. Zahlreiche Vögel liegen tot umher. Auf der Weide befindliche Gänse wurden erschlagen. Schloß Colmberg büßte 60 wertvolle Butzen- und bemalte Scheiben ein. Der Colmberger Forst hatte schwer zu leiden. Erhebliche Gebäudeschäden wurden in Obersulzbach angerichtet, wo die Leute auch ihre ganzen Ernteerträgnisse eingebüßt haben. Sämtliche Kirchenfenster wurden eingeschlagen. Auf den Verbindungsstraßen wurde bis in die Nacht hinein gearbeitet, um den Verkehr nur einigermaßen wieder herzustellen."


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